Digitale Sammlung zur Geschichte des Telegrafenbergs
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Pendelsaal im Helmerthaus (A 17)

Grundriss vom Erdgeschoss des Helmerthauses

Grundriss vom Erdgeschoss des Helmerthauses

Seit 1999 ist die Bibliothek in den Räumen des ehemaligen Geodätischen Instituts untergebracht. Der Lesesaal befindet sich im “Grossen Instrumenten-Saal”, das Magazin mit Zeitschriften und Monographien im “Comparator-Saal”. Der historische Pendelsaal wurde restauriert und mit geodätischen Instrumenten und Büchern ausgestattet. Zusätzliche Materialien zum Pendelsaal finden Sie hier.

Zur historischen Nutzung dieser Räume – ein Auszug (1890):

“Ein geräumiges Treppenhaus empfängt uns. Wir begeben uns im Erdgeschoss nach links zur Nordseite des Gebäudes und gelangen zunächst in die Werkstatt des Institutsmechanikers, welche zur Vornahme von Reparaturen und ähnlichen Arbeiten eingerichtet ist. Von hier kommt man durch einen kleineren, für physikalische Vorarbeiten bestimmten, auch als Dunkelkammer für photographische Zwecke benutzbaren Raum in den grossen Instrumentensaal von 20 m Länge und 8 m Breite, in welchen vier grosse, nach Norden gehende Fenster eine Fülle von Licht werfen.

historischer Instrumentensaal, jetzt Lesesaal der Bibliothek

Historischer Instrumentensaal, jetzt Lesesaal der Bibliothek

Der Saal ist unterwölbt; in der Nähe der beiden äusseren Fenster befinden sich zwei Pfeiler, welche zur Untersuchung von Instrumentalconstanten bestimmt sind und sich, isolirt vom Fussboden, auf starken Fundamenten vom Kellerraum aus erheben. An der Südwand dient eine Anzahl kleinerer Pfeiler, auf dem Fussboden des Saales aufgebaut, zur Aufstellung von verschiedenen Instrumenten. An diesen grossen Saal schliesst sich in der Nordostecke des Gebäudes ein kleinerer Instrumentensaal, 8,5 m lang und 5,5 m breit, dessen drei Fenster gleichfalls nach Norden liegen und der ebenfalls zur Untersuchung sowie zur Aufbewahrung von Instrumenten dient. … Das Innere des Gebäudes, welches von den bisher betretenen Räumen umgeben ist, wird von zwei Sälen für Maassvergleichungen und Pendelmessungen gebildet, von den Büreau und Verwaltungsräumen durch einen 2,5 m breiten Corridor getrennt.

Wir erinnern uns, dass die in diesen Sälen auszuführenden Arbeiten die Möglichkeit verlangen, die Temperatur des Beobachtungsraumes, innerhalb gewisser Grenzen, etwa von null bis dreissig Grad, beliebig wechseln zu können. Zu diesem Behufe sind beide Säle von starken, mit zahlreichen Ventilationsröhren versehenen Mauern umgeben. Innerhalb, im Abstand von o,5 m von diesen letzteren, befinden sich ringsum Blechwände. Durch Gasflammen kann die Luft zwischen den Mauern und Blechwänden erhitzt werden; die Wärme theilt sich dann durch die Blechwände den innerhalb befindlichen Arbeitsräumen mit, und es ist nach den bei der Kaiserlichen Normalaichungs-Commission gemachten Erfahrungen möglich, auf diese Weise nicht nur den Temperaturwechsel schnell und sicher zu erzielen sondern auch den Raum dauernd auf einer bestimmten Temperatur (innerhalb der angegebenen Grenzen) zu erhalten. Da zur Vermeidung gewisser Schwierigkeiten die bezüglichen Versuche an den Basis- und Pendelapparaten nur in den Wintermonaten ausgeführt werden sollen, unterliegt die Abkühlung der Räume durch von oben eingeführte kalte Luft keinem Anstand. Die Lage der beiden Säle im Innern des Gebäudes hat überdies den Vortheil, dass dieselben gegen die äusseren thermischen Einflüsse in jeder Jahreszeit sehr wenig empfindlich sind und sich somit zu jeder Zeit gewisse Untersuchungen, bei denen es nur auf Unveränderlichkeit der Temperatur ankommt, ausführen lassen.

Die Heizeinrichtung des Pendelsaales ist eine etwas modificirte. Um hier eine den Versuchen schädliche horizontale Schichtung der Temperatur, also eine Aenderung derselben von unten nach oben, thunlichst zu vermeiden, liegen die erwärmenden Gasflammen in einem Raum unter der Mitte des Fussbodens und die heisse Luft steigt durch Hohlräume unter dem Fussboden in den Raum zwischen den Doppelwänden auf.

Man gelangt in die nebeneinander liegenden, aber durch eine starke Wand getrennten Säle durch je eine Thür vom grossen Instrumentensaale aus. Im Comparatorsaale liegt unter dem Fussboden, von ihm und den Umfassungsmauern vollständig isolirt, ein äusserst starkes Fundament, von etwa hunderttausend Ziegeln gebildet, also einer Anzahl, wie sie für ein mittelgrosses Wohnhaus ausreichen würde; diese Masse dient zur Aufnahme von Festpuncten sowie als Grundlage für die Einrichtungen des Comparators: der Pfeiler für die Mikroskope und der Schienengeleise für die Wagen zur Verschiebung der Messstangen. Unter dem Pendelsaale liegt gleichfalls ein starkes Fundament, doch hat man es hier für vortheilhafter gehalten, die Masse, weil sie kleiner als die andere ist, in Verbindung mit den Wänden zu bringen, um den Pendeln eine möglichst erschütterungsfreie Aufstellung zu geben. Beide Säle haben nur eine ganz schwache Beleuchtung von oben durch dicke Glasdecken, bei Tage gerade ausreichend, um sich zurechtzufinden. Die Beobachtungen müssen selbstverständlich bei künstlichem Licht ausgeführt werden, wofür zunächst in den Zwischenwänden angebrachte Gasflammen in Aussicht genommen sind.

Wie die beiden Säle im Erdgeschoss allseitig thermisch gut abgeschlossen sind, so sind sie auch nach oben gut geschützt. Ueber ihnen befinden sich im Oberstock des Gebäudes zwei Isolirhallen. Von diesen ist der über dem Comparatorsaal liegende Raum, einem Wunsche der Allgemeinen Conferenz der Internationalen Erdmessung im October 1886 zu Berlin entsprechend, zu einer Gedenkhalle für berühmte Geodäten bestimmt und wird eine entsprechende Ausstattung erhalten; er wird u. a. zunächst die Büste des Generals Baeyer aufnehmen; ausserdem werden in diesem Raume ältere Instrumente Aufstellung finden. Die über dem Pendelsaale liegende Halle dient als Aufbewahrungsort für Acten, als Archiv und für ähnliche Zwecke. Rings um diese Isolirhallen herum geht ein Corridor, welcher zu den übrigen Räumen des oberen Stockwerks führt …”

Quelle: Die königlichen Observatorien für Astrophysik, Meteorologie und Geodäsie bei Potsdam. Berlin, 1890 (PDF, 11,69 MB)

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